Archiv für den Monat: September 2025

Mehr Liebesschulen!

Am 8.9. ist in der Leipziger Volkszeitung (LVZ) ein Artikel erscheinen zum Thema Sexualtherapie und Prostitution. Die LVZ ist auf meine Presse-Mitteilung eingegangen, dass das Ordnungsamt in Kafkaesken Verwirrungen des Verwaltungsrechtes zu der peinlichen Entgleisung kam, dass „sexualtherapeutischen Tätigkeiten … Prostitution …“ seien. Alternativ zur patriarchalen Ordnung des Amtes möchte ich mehr Liebesschulen. Aber was bedeutet das?  

Wir brauchen mehr Liebesschulen. 

Wo lernen wir Liebe? Wie wollen wir Liebe leben? Das herkömmliche Bildungssystem bietet zu diesen wichtigen Fragen nur sehr wenige Antworten und noch weniger Erfahrungsräume. Konzepte und Ratgeber finden wir zuhauf, aber nach dem kognitiven Verstehen brauchen wir Erfahrungsräume, in denen unsere Zellen lernen, was Liebe sein kann. Lernen findet nicht nur im Kopf statt. Schlechte oder übergriffige Erfahrungen speichern wir eher emotional und im Zellgedächtnis, als dass wir gedanklich voll reflektiert verstehen, was uns da passiert ist. Und über die negativen Erlebnisse hinaus brauchen wir für sexuelle Selbstbestimmung (nebenbei das zentrale Anliegen des ProstSchG) auch Räume, um positive Möglichkeiten überhaupt kennen zu lernen. Lernen als Erfahrung in geschützten Räumen und nicht nur als kognitive Information. 

Praktisch äußert sich Liebe in ganz vielen alltäglichen Details. Aus einer bestimmten Perspektive (von vielen möglichen) kann man sagen “Liebe = Fürsorge”. Fürsorge bedeutet, andere bei ihrer Bedürfnisbefriedigung zu unterstützen. Wie geht das? Seit wir erwachsen sind, sind andere nicht mehr für unsere Bedürfnisbefriedigung zuständig. Aber wir fühlen uns geliebt, wenn sie sich jemand um unsere Bedürfnisse kümmert.

Nach “satt-warm-trocken” treten unsere psychosozialen Bedürfnisse in den Vordergrund und da ist Körperkontakt und emotionale Verbundenheit von besonderer Bedeutung, aber auch Bindung, Autonomie, Anerkennung, Spiritualität und Sexualität. Letzterer kommt besondere Bedeutung zu. Es ist die Kraft, aus der sogar neues Leben hervorgehen kann.    

Was würde Liebesschule für Erwachsene denn praktisch bedeuten? Themen wären z.B.: Wie kann ich z.B. Komplimente ausdrücken und was brauche ich, um etwas als Kompliment zu nehmen? Wie kann ich Berührungen so gestalten, dass mein Gegenüber sich gemeint fühlt und Lust auf Hingabe und Entspannung bekommt? Wie kann ich mein Mitgefühl erweitern, und wie meine emotionale Wahrnehmung so kontrollieren, dass ich noch meinen Bedürfnissen nachgehen oder Aufgaben nachkommen kann? 

Liebesschulen wären Geschützte Orte, in denen wir uns mit unseren sinnlichen und emotionalen Bedürfnissen ausprobieren können, bis wir selbstbestimmt damit umgehen können. Bei vielen hapert die Selbstbestimmung an verinnerlichten schlechten Mustern und auf der anderen Seite an den praktischen Möglichkeiten. Unsere Neurosen haben wir in Beziehungen erworben, teilweise schon sehr früh. Daher müssen wir in Beziehungen auch unsere alten Muster heilen. Leider ist nicht jeder Beziehungspartner dafür geeignet. Die Gründe sind vielfältig. Ein Teil ist, dass unsere Beziehungspartner bestimmte Rollen in unserem Leben erfüllen und selbst mit ihren eigenen Mustern in Beziehung zu uns treten. Das ist nicht schlecht, aber für die Heilung und Überwindung negativer Muster nicht unbedingt hilfreich. Kurz gesagt, rutschen wir in emotionalen Konflikten oft in alte, kindliche Verhaltensmuster. Man kann davon sprechen, “ins Kind zu rutschen” oder aus dem “inneren Kind zu agieren”. Solange unser Gegenüber in einer bewussten “Erwachsenenrolle” bleibt, und das partnerschaftlich gut kommuniziert ist, können viele Konflikte befriedet werden. Spätestens wenn beide Beziehungspartner “ins Kind rutschen”, wird die “erwachsene” Lösung von Konflikten schwierig. 

Hilfreich sind da reflektierte Gruppen, möglicherweise geleitet durch erfahrene Mitmenschen. In einer Gruppe rutschen meist nicht alle gleichzeitig “ins Kind”. In einer Gruppe spiegeln uns andere Menschen unsere Eigenarten. Menschen, die gerade nicht unsere Liebespartner sind, und daher weniger Projektionen von uns bekommen. Sobonfu Somè* meint, dass jedes Liebespaar eine Gemeinschaft drum herum braucht.

In unserer Gesellschaft wären Liebesschulen gut, in denen wir uns ausprobieren können, in denen wir unsichere Verhaltensweisen einüben können und wo nicht der erste Versuch über Wohl oder Wehe entscheidet. Manches spricht dafür, sich in relativ anonymen Gruppen auszuprobieren, aber als soziale Wesen suchen wir auch Kontinuität und freuen uns, Entwicklungen zu erleben und neue, andere Seiten an bekannten Menschen zu entdecken. 

Insbesondere in dem empfindlichen Bereich der Sexualität, in dem tiefe und starke Bedürfnisse uns antreiben, fühlen sich Erlebnisse besonders schön, oder eben besonders schmerzhaft an. Wer nach ein paar schlechten Erfahrungen von diesem Bereich Abstand nehmen möchte, verkennt evtl. die Kraft der Bedürfnisse und die Wirkungsweise abgelehnter Emotionen. Mit Unterstützung erfahrener Mitmenschen und wertschätzender Kommunikation können sich viele aus ihren alten Mustern befreien und neue, bewusst reflektierte Muster einüben – oder sich im sicheren Raum vertrauensvoll hingeben und einfach die Erfahrungen wirken lassen. Das gilt ganz besonders für Tantramassage, die einen außergewöhnlichen Raum für Selbsterfahrung jenseits partnerschaftlicher Sexualität eröffnet. 

Vieles von dem oben gesagten finden wir in Tantra-Seminaren. Wir bieten z.B. den Tantra-Grundkurs ab Februar 2026 mit 12 Wochen Gemeinschaftserfahrung oder zum kennenlernen ein Einsteigerwochenende im November.